Kleinunternehmerregelung – Was ist das eigentlich?
Für viel Verwirrung sorgt für Unternehmer immer wieder die sogenannte Kleinunternehmerregelung. Wie so viele Vorschriften im Steuerrecht ist sie leider recht umständlich formuliert.
Das hat mittlerweile zu zahlreichen und weit verbreiteten Irrtümern geführt. Ich möchte diese im Folgenden klarstellen und die Vor- und Nachteile der Kleinunternehmerregelung – insbesondere im Bereich E-Commerce – vorstellen.
Schauen wir mal vorab in das Umsatzsteuergesetz (§ 19 UStG):
“(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird.”
Grundsatz
Fallen Sie unter die Kleinunternehmerregelung, dann wird lediglich auf die Erhebung der Umsatzsteuer verzichtet. Das bedeutet: Grundsätzlich führt man steuerbare Umsätze aus— die Umsatzsteuer ist aber nicht an das Finanzamt abzuführen.
Kleinunternehmer: Wer, wann und wie lange?
Die Kleinunternehmerregelung greift zudem nur dann, wenn die Umsätze innerhalb der folgenden Grenzen liegen. Dabei sind immer das vorherige und das aktuelle Kalenderjahr zu betrachten.
- Vorheriges Kalenderjahr: Euer Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr darf 22.000 Euro (inkl. Umsatzsteuer) (bis 2018: 17.500 EUR) nicht überschritten haben.
- Laufendes Kalenderjahr: Im aktuellen Kalenderjahr darf euer Umsatz voraussichtlich 50.000 Euro (inkl. Umsatzsteuer) nicht überschreiten. Voraussichtlich bedeutet, dass, basierend auf einer sachgerechten Prognose, dieser Umsatz im laufenden Kalenderjahr nicht überschritten wird.
Es müssen somit immer beide Grenzen—die des Vorjahres und die des laufenden Jahres—eingehalten werden.
Das folgende Beispiel verdeutlicht das:
Ein Unternehmer, der im Jahre 2019 weniger als 22.000 Euro umgesetzt hat und 2020 nach eigener Prognose ca. 45.000 Euro umsetzen wird, darf die Kleinunternehmerregelung auch 2020 anwenden.
Im Kalenderjahr 2021 ist die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht mehr zulässig, da im Vorjahr (2020) mehr als 22.000 Euro umgesetzt wurden—wenn die eigene Prognose (45.000 Euro) zutrifft.
Was gilt bei Neugründungen?
In diesem Fall gilt nur die Grenze von 22.000 Euro. Wichtig ist zudem, dass die 22.00 Euro auf das gesamte Kalenderjahr bezogen sind. Ist man nur in einem Teil des Jahres unternehmerisch tätig, dann muss man den Umsatz auf das Kalenderjahr hochrechnen.
Das folgende Beispiel verdeutlicht das.
Man gründet zum 01. September 2019 ein Unternehmen und erwartet einen Umsatz bis zum Jahresende in Höhe von 8.000 Euro inkl. Umsatzsteuer.
Frage: Kleinunternehmerregelung in 2019?
Antwort: NEIN, denn der Umsatz auf das gesamte Kalenderjahr bezogen beträgt: 3 x 8.000 Euro = 24.000 Euro.
Welche Umsätze sind relevant?
Wieder vorab der Blick in das Gesetz (§ 19 UStG):
“…
Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer.”
Für die Berechnung der Grenzwerte sind jedoch nicht alle Umsätze relevant. Verkauft man Anlagevermögen (z.B. ein altes Notebook), wird dieser Umsatz nicht bei der Berechnung des Grenzwertes berücksichtigt. Ebenso sind eine Reihe steuerfreier Umsätze ausgeschlossen, welche allerdings im Onlinehandel keine große Rolle spielen.
Wie sieht die Rechnung aus?
Der Kleinunternehmer muss für Lieferungen oder Dienstleistungen Rechnungen ausstellen, soweit die Kunden ebenfalls Unternehmer sind. Auch wenn Produkte an Endverbraucher in andere EU-Staaten versendet werden, ist man zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet.
Die Rechnungspflichtangaben gelten dann grundsätzlich auch —mit einer Ausnahme: Die Umsatzsteuer darf nicht gesondert ausgewiesen werden, da diese ja nicht an das Finanzamt abgeführt wird.
Wenn dennoch Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer erstellt werden, besteht die Verpflichtung, diese Umsatzsteuer dann auch an das Finanzamt zu zahlen.
Nachteile der Kleinunternehmerregelung
Die Kleinunternehmerregelung bringt auch einige Risiken bzw. Nachteile mit sich.
Nachteil: Keine Erstattung von Vorsteuern
Auf Unternehmensebene soll die Umsatzsteuer grundsätzlich neutral wirken. Daher können sich Unternehmer die Umsatzsteuer, welche auf ihre Wareneinkäufe oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen entfällt, als sogenannte Vorsteuer durch ihr Finanzamt erstatten lassen.
ABER: Kleinunternehmer haben kein Recht auf Erstattung von Vorsteuern.
Aus diesem Grund fällt der Vorteil durch die Kleinunternehmerregelung geringer aus, als es auf den ersten Blick scheint. Gerade in der Gründungsphase werden vermutlich umfassende Investitionen (z.B. Büroausstattung) anfallen oder Beratungsleistungen (z.B. durch Anwälte und Notare) in Anspruch genommen. Aufgrund des fehlenden Vorsteuerabzuges kommt das teurer als ohne die Kleinunternehmerregelung.
Verbreitete Irrtümer
Neben diesen Nachteilen halten sich zudem einige Irrtümer beständig, welche wir hier kurz aufführen.
Irrtum I: Keine USt-IdNr. für Kleinunternehmer?
Dieses Gerücht hält sich hartnäckig.
Insbesondere, wenn man als Kleinunternehmer Leistungen und Lieferungen aus dem Ausland einkauft, sollte man zwingend eine USt-IdNr. haben.
Diese zwei Beispiele verdeutlichen das Problem.
Beispiel 1
Man kauft Ware bei einem Hersteller in Dänemark ein. Wenn dem Herstelleller keine USt-IdNr. angegeben wurde, wird dieser – korrekterweise – 25 Prozent dänische Umsatzsteuer in Rechnung stellen.
Diese dänische Umsatzsteuer wird jedoch nicht erstattet, so dass sie zur Definitivbelastung wird. Gibt man allerdings die deutsche USt-IdNr. an, muss der Lieferant eine Netto-Rechnung erteilen. Dann muss zwar den Eingang der Ware in Deutschland als sogenannten innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern—in diesem Fall beträgt der Steuersatz aber nur noch 19 Prozent.
Beispiel 2
Amazon stellt für die Nutzung des Marketplace Grundgebühren, Vermittlungsprovisionen und ggf. weitere Leistungen, welche Amazon erbringt, in Rechnung.
Hinterlegt man keine USt-IdNr., erhält man von Amazon eine Brutto- anstelle einer Netto-Rechnung.
Zusätzlich muss man auf den Netto-Betrag immer 19 Prozent deutsche Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dahinter verbirgt sich das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren, welches zur Anwendung kommt, wenn ausländische Unternehmer Dienstleistungen an einen dt. Unternehmer erbringen.
Hinterlegt man bei Amazon also keine USt-IdNr., ist man verpflichtet, doppelt Umsatzsteuer zu zahlen: einmal an Amazon und einmal an das Finanzamt.
Irrtum II: Keine Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. Umsatzsteuer-Erklärungen?
Auch ein Kleinunternehmer muss – insbesondere wenn er eine USt-Id-Nr. beantragt hat – monatliche oder quartalsweise Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben.
Dies gilt insbesondere dann, wenn man unter das Reverse-Charge-Verfahren fällt, und/oder innergemeinschaftliche Erwerbe getätigt werden.
Liegt diese Steuer unter 1.000 Euro im Kalenderjahr, kann das Finanzamt von der Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen befreien. Man muss dann aber auf jeden Fall eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgeben.
Zusätzlich kommt noch die Verpflichtung, eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung einzureichen.
Das Ende der Kleinunternehmerregelung
Überschreitet man irgendwann die Grenzen der Kleinunternehmerregelung, wechselt man automatisch zur sogenannten Regelbesteuerung.
Man kann aber auch gleich zu Beginn auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten.
Übergang zur Regelbesteuerung
Irgendwann mag der Zeitpunkt kommen, an dem man aus den Grenzen der Kleinunternehmerregelung herausfällt. Dieser sogenannte Übergang zur Regelbesteuerung (also Abführung von 19 oder 7 Prozent Umsatzsteuer an das Finanzamt) kann einige Stolpersteine mit sich bringen.
Das folgende Beispiel erklärt das wichtigste Problem:
Im Jahr 2019 noch Kleinunternehmer und bis zum Jahresende 2019 wurden mehr als 22.000 Euro vereinnahmt. Am 29. Dezember 2019 kauft man noch Ware im Wert von 5.950 Euro brutto (inkl. 19 Prozent Umsatzsteuer) ein.
Ab dem 01.01.2020 muss man 19 Prozent Umsatzsteuer aus den Umsätzen abführen, da im Vorjahr mehr als 22.000 Euro umgesetzt wurden.
Das führt zu dem folgenden Problem:
Im Jahre 2019 stand – aufgrund der Kleinunternehmerregelung – kein Vorsteuerabzug zu. Ab dem Jahr 01.01.2020 muss Umsatzsteuer auf Lieferungen abgeführt werden. Hätte man mit dem Einkauf der Ware bis zum 01.01.2020 gewartet, hätte man die 950 Euro Umsatzsteuer auf den Wareneinkauf vom Finanzamt als Vorsteuer erstatten lassen können.
Grundsätzlich wäre es möglich, sich die entgangene Vorsteuer aus dem Jahre 2019 zeitanteilig erstatten zu lassen. Das Umsatzsteuerrecht setzt für die meisten Wirtschaftsgüter (Immobilien ausgenommen) einen fiktiven Vorsteuer-Zeitraum von 5 Jahren an. Somit hätte man grundsätzlich Anspruch auf die nachträgliche Erstattung von (vereinfacht dargestellt) 4/5 des ursprünglichen Vorsteuerbetrages aus 2019.
Diese Regelung greift aber nur, wenn der Vorsteuerbetrag je Wirtschaftsgut bei mehr als 1.000 Euro lag. Damit dürfte für einen Großteil der Anschaffungen eine nachträgliche zeitanteilige Erstattung der Vorsteuer in der Regel nicht in Betracht kommen.
Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung
Der Aspekt, dass Kleinunternehmer keinen Vorsteuerabzug geltend machen können, kann nachteilig sein, wie oben erklärt wurde—insbesondere dann, wenn man größere Investitionen plant. Aus diesem Grund ist es möglich, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten.
Dieser Verzicht funktioniert folgendermaßen:
- Er ist dem Finanzamt gegenüber formlos zu erklären. Es würde sogar grundsätzlich genügen, wenn man einfach anfängt, Umsatzsteuer auf Umsätze an das Finanzamt abzuführen. Das nennt man einen sog. konkludenten Verzicht.
- Der Verzicht greift immer vom Beginn eines Kalenderjahres an.
- Der Verzicht bindet für 5 Kalenderjahre.
- Der Verzicht kann auch nachträglich erklärt werden. Das geht, solange die Einspruchsfrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung des entsprechenden Kalenderjahres noch läuft.
Gerade der nachträgliche Verzicht kann oft sinnvoll sein, wenn man im Laufe des Kalenderjahres unerwartet hohe Investitionen getätigt hat und absehbar ist, dass die Umsätze in Kürze die genannten Grenzen überschreiten werden.
Grenzüberschreitender Handel und Lieferschwellen
Auch als Kleinunternehmer kann man beim Handel über elektronische Marktplätze leicht mit ausländischen Kunden in Kontakt kommen. Dabei sind einige weitere Dinge zu beachten.
B2B-Geschäfte
Versendet man als Kleinunternehmer an B2B-Kunden in einen anderen EU-Staat, liegt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor. Für Kleinunternehmer sind Lieferungen an andere Geschäftskunden im EU-Ausland grds. in Deutschland steuerpflichtig. Die Umsatzsteuer wird aber—wie oben beschrieben—nicht erhoben.
B2C-Geschäfte
Auch als Kleinunternehmer ist es möglich, die sog. Lieferschwellen in andere EU-Staaten zu überschreiten. In diesem Fall wären alle Lieferungen, welche über die Lieferschwelle hinausgehen, auch im Ausland zu versteuern.
Was ist das Fazit?
Die Kleinunternehmerregelung verschafft Unternehmern unter gewissen Voraussetzungen einen kleinen Wettbewerbsvorteil.
Sie ist beinahe ideal für klassische Dienstleister im B2C-Bereich, die ohne hohen Wareneinsatz arbeiten und ihre Umsätze sehr genau prognostizieren können.
Für den Onlinehandel ist diese Regelung aber oftmals kaum noch zeitgemäß. Die genannten Nachteile und Risiken können die Vorteile sehr schnell überlagern.